Zylinderwechsel Schritt für Schritt

Achtung! Alles hier Vorgestellte ist improvisiert und entspricht evtl. nicht gängigen Vorschriften. Es handelt sich nur um Beschreibungen. Den Nachbau möchte ich weder empfehlen noch dazu anregen. Jeder handelt auf eigene Verantwortung!

Ich hatte die Gelegenheit, die Ape eines Bekannten mit einem Tuningzylinder aufzurüsten und das zu dokumentieren. Für mich waren das interessante Bastelstunden. Ansonsten bleibt mein Interesse an Tuning eher 'akademisch'.

Das erste Öffnen der Schachtel

Das erste Öffnen einer Schachtel ist natürlich immer interessant:

Bild Bild Bild Bild

Sieht alles ganz ordentlich aus!

Bild Bild

Hier erkennt man die beiden seitlichen Einlasskanäle und die vier zusätzlichen Einlasskanäle gegenüber dem Auslass. Alle Kanten sind scharfkantig. Es sieht aber ansonsten nach guter Verarbeitung aus.
Bild
Das magere Zubehör beschränkt sich auf Zylinderfußdichtung, Aufpuffdichtung, Auspuff-Stehbolzen nebst Muttern und etwas peinlichen Sicherungsscheiben.
Man sollte auf jeden Fall immer auch das Pleuel-Lager wechseln! Also gleich mitbestellen.
Bild
Kolben und Kolbenbolzen sind einwandfrei!
Bild

Vorbereitende Arbeiten

Ein paar Arbeiten müssen vor dem Einbau gemacht werden. Leider wird einiges davon oft nicht berücksichtigt.

Bild Bild

Passt der Kolbenbolzen? Hier gleitet er ohne Widerstand sanft in seine Bohrung und sitzt dort spielfrei. Optimal!
Bild
Die Auslassöffnung wird mit einem Drehmel geglättet. So setzt sich hier nicht so schnell Ruß fest und es ist strömungsgünstiger für die Abgase.
Bild
Die Kolbenringe werden erst am oberen Ende, dann weiter unten eingesetzt. Mit Hilfe des Kolbens werden diese horizontal genau ausgerichtet. Mit einer Meßlehre misst man dann die Breite des Kolbenringstosses. Hier ist der Stoss 0,25mm breit. Ein guter Wert, aber am unteren Ende der Skala. Nach dem Einlaufen wird das aber viel mehr sein.

Bild Bild

Mit Hilfe einiger Streifen aus dünnem Blech, z.B. aus der Feder einer alten Uhr, werden die Kolbenringe ohne viel Verbiegerei eingesetzt.
Bild
Typisch D.R., ist die Innenseite des Alu-Guss Zylinderkopfes sehr rauh. Mit einem Schaber lässt sich das glätten. Als Werkzeug kommt eine Schlüsselfeile mit angeschliffener Spitze zum Einsatz. Zum Schluss wird mit feinem Nassschleifpapier und Getriebeöl nachgeschliffen. Dabei die Dichtfläche schonen!
Bild
Die Zylinderkopf-Dichtfläche wird nun auf einer dicken Glasplatte plan geschliffen. Mit Öl und feinem Nassschleifpapier als Schleifmittel, und kreisenden Bewegungen wird das 1A.
Bild
Genauso mit dem Zylinder. Man nehme aber ein neues Stück Schleifpapier! Und hinterher mit Bremsenreiniger nicht geizen, alle Rückstände müssen gründlich entfernt werden. Es darf ka kein 'Sand' vom Schleifpapier in den Motor geraten.
Bei D.R. kommt keine Zylinderkopfdichtung zum Einsatz. Und es gibt kaum einen Zylinder, der hier nicht sifft. Wenigstens hat die Dichtfläche jetzt einen optimalen Start bekommen.
Die Kanten der Kanäle, die in den Zylinder führen, müssen noch gebrochen werden. Also schabt man mit einem Dreikantschaber über alle Kanten leicht drüber. Nicht zu viel, wir wollen keine Fase einbringen. Es sollen nur die Kolbenringe hakelfrei drüberlaufen können.
Bild
Bild
Bild
Jetzt noch die Zylinderfußdichtung überprüfen und ggf. Nacharbeiten.
Bild
Leider passt es am Motor nicht ganz so gut. Da gibts also eine Kante im Kanal. Hier kann man den Kanal am Motorgehäuse vergrössern, um die Leistung zu optimieren. Muss man aber nicht.

Bild Bild

Die Auspuff-Stehbolzen werden mit zwei gekonterten Muttern (man nehme nicht die, die später den Auspuff halten!) eingeschraubt.
Bild
Jetzt die Auspuffdichtung zur Probe einsetzen. Die Innenkante muss schön fluchten und nicht nach innen überstehen.

Ausbau des alten Zylinders

Jetzt wirds ernst, es geht mit Werkzeug und entschlossenem Blick an die Ape!
Bild
Sozusagen ein 'Abschiedsfoto' vom alten Zylinder. Naja, den Unterschied sieht man hinterher eh nicht.
Bild
Zündkerze raus, Benzinhahn zu, Benzinschlauch ab und auslaufendes Benzin auffangen. Dann Vergaser runter.
Bild
Wagenheber unter den Motorträger, Motor abstützen. Schrauben (Pfeile) raus und mit Unterstützung des Wagenhebers den Motor langsam absenken, so weit es geht.
Bild
Nun Lüfterhaube, Schwungradabdeckung und Auspuff abschrauben.
Bild
Jetzt kann der Zylinderkopf runter.
Bild
Beim Handstartmotor kommt man mit spitzen Fingern an die linken Zylinderfußmuttern dran, ohne das Schwungrad abnehmen zu müssen. Bei den E-Start-Motoren stört hier der Zahnkranz auf dem Schwungrad.
Bild
Rechts ist es auch kein Problem.
Bild
Jetzt kann der Zylinder abgezogen werden.
Bild
Eine erste Sichtkontrolle: Die so wichtige Drehschieberfläche der Kurbelwell ist einwandfrei. So muss das sein!
Bild
Bild
Jetzt ist es ganz wichtig, Kolbenbolzenlager und Kolbenbolzen zu prüfen. Das muss leichtgängig und spielfrei zusammenpassen.
Bild
Auf der linken Seite (bevorzugt) wird nun die Sicherungsfeder eingesetzt. Dazu kommt eine Spitzzange zum Einsatz. Das nach innen stehende Drahtstück wird nach oben ausgerichtet. Das soll wegen der Fliehkräfte optimal sein (angeblich).
Bild
Der Kolben wird jetzt eingesetzt, der Kolbenbolzen eingeschoben. Er soll von Hand ohne Werkzeug sanft reinrutschen. Der kleine Pfeil auf dem Kolbenboden zeigt nach oben, also Richtung Auslassöffnung. Die rechte Sicherungsfeder nicht vergessen und genau kontrollieren, ob die richtig sitzt. Ruhig eine Lampe zur Hand nehmen und genau gucken!
Bild
Zylinderfussdichtung einsetzen. Beim Aufsetzen des Zylinders müssen die Kolbenringe genau ausgerichtet werden, dass sie mit ihren Stössen über den Sicherungsbolzen sitzen. Die Kolbenringe von Hand zusammendrücken, einen nach dem anderen, und den Zylinder drüberstülpen. Natürlich wird alles vorher gut geölt. Dann den Zylinder auf die Schrauben aufsetzen. Jetzt erst mal den Motor ein paar mal durchdrehen und prüfen, dass nichts hakt.
Jetzt die Zylinderfussmuttern mit Sicherungsscheiben auf die Bolzen schrauben und erst mal nur leicht anziehen. Der Zylinder soll sich noch bewegen können. Erst mal ein paar mal den Motor durchdrehen. Wieder prüfen, ob alles geschmeidig läuft. Nun die Muttern über kreuz halbfest anziehen, Motor drehen, prüfen, Muttern über Kreuz festziehen, Motor drehen, prüfen, durchatmen, gut iss!
Bild
Auspuffdichtung einsetzen und Auspuff montieren. Mit dem Finger vom Zylinder aus in den Auslass fühlen, ob sich der Auspuff einigermassen mittig befindet. Viel kann man da aber nicht ausrichten.
Bild
Der Zylinderkopf wird nun angeschraubt. Je Schraube kommt eine Sicherungsscheibe und eine Unterlegscheibe mit möglichst etwas grösserem Aussendurchmesser zum Einsatz. Über Kreuz fest ziehen.
Jetzt die Abdeckungen wieder drauf, Vergaser, Benzinschlauch, Zündkerze, Kerzenstecker, das muss nicht beschrieben werden.
Bild
Der Vergaser braucht ggf. eine grössere Düse und die Luftzufuhr muss angepasst werden. Hier eine Lösung, mit der man die Luftzufuhr regulieren kann.

Einfahren

Übers Einfahren streiten sich die Gelehrten und die nicht Gelehrten noch mehr. Das einzige, was eingefahren werden muss, sind die Kolbenringe. Die passen sich durch Verschleiss der Zylinderwandung an. Solange sie noch nicht rundherum 100%ig anliegen, kann noch Abgas seitlich vorbei zum unteren Bereich des Kolbens gedrückt werden. Und das mindert nicht nur die Leistung, das schadet auch dem Kolben bis hin zum Klemmer oder Reiber. Und das ist auch der Grund, warum in den ersten Kilometern nur mit 2/3 Gas gefahren wird. Auch hohe Belastungen sollen vermieden werden, z.B. niedertouriges Beschleunigen ('quälen'). Dadurch entstehen hohe Drücke im Zylinder, die vermieden werden sollen.
Da das Einfahren ein Vorgang ist, der auf Verschleiss beruht, erhöhe ich auch nicht den Ölanteil im Sprit. Das zögert die Sache nur heraus. Nach der ersten Tankfüllung fängt man mit Vollgasfahrten über eine Minute an, mit Pausen von 2 oder mehr Minuten. Ansonsten immer schön unterschiedliche Geschwindigkeiten und Drehzahlen fahren. Mit der Zeit wird der Motor vollgasfester. Erst bei Vollgas kann man die richtige Hauptdüse bestimmen. Bis dahin fährt man eine Düse, die auf jeden Fall leicht zu gross ist, also ein etwas zu fettes Gemisch ergibt. Fettes Gemisch heisst nicht mehr Öl, sondern mehr Sprit im Luft/Sprit-Gemisch, das der Vergaser erzeugt.
Unter Vollgas ermittelt man die erreichbare Höchstgeschwindigkeit. Dies testet man mit mehreren Düsen bis man diejenige findet, mit der es am schnellsten voran geht. Dann nimmt man die nächst grössere, bei der die Geschwindigkeit gerade so einen Hauch nachlässt. Das ist die richtige für dauerhafte Freude. Wir fahren ja keine Rennen.
zurück